Das Beschneidungsurteil kriminalisiert Muslime und Juden

Zum Gespräch: Beschneidung. Menschenrecht oder Barbarei?


Aus: Presseerklärung der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) zum Kölner Beschneidungsurteil vom 7. Juni 2012

Die Beschneidung von Jungen ist im Islam und Judentum fest verankert und weltweit gelebte Praxis seit über tausend Jahren. Mit dem Kölner Urteil wird ein identitätsstiftendes Ritual von Juden und Muslimen kriminalisiert und Eltern vor die Wahl zwischen ihrem Gewissen und strafrechtlicher Verfolgung gestellt.

Damit hat eine seit Jahren mit großem Eifer geführte Kampagne mancher von islamfeindlichen Kritikern angeregter Juristen, die das Thema offensichtlich zur persönlichen Profilierung entdeckt haben, einen für diese krönenden Abschluss gefunden.

Bemerkenswert ist das Urteil, da bis vor einigen Jahren in der Rechtswissenschaft die Straflosigkeit der Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen herrschende Meinung gewesen ist und auch heute von den meisten Juristen weiterhin so gesehen wird. Diese Rechtsmeinung kam auch zum Zuge, als in erster Instanz der Arzt freigesprochen wurde. Zur Begründung führte die Vorinstanz aus, dass der Eingriff ohne jegliche Kunstfehler durchgeführt wurde und aufgrund der wirksamen Einwilligung der sorgeberechtigten Eltern gerechtfertigt gewesen sei. Die Entscheidung habe sich an dem Wohl des Kindes ausgerichtet, da die Beschneidung als traditionelle Handlungsweise der Dokumentation der kulturellen und religiösen Zugehörigkeit diene.

Das Landgericht Köln spricht nun von einem ‚unvermeidbaren Verbotsirrtum‘. Der Arzt hätte nicht wissen können, dass die religiöse Beschneidung verboten sei. Damit ist eine höhere Instanz juristisch ausgeschlossen, da der Arzt wegen des Freispruchs nicht in Revision gehen kann. Das Urteil hat dennoch weitreichende Folgen: Ärzte könnten sich nach dem Bekanntwerden dieses Urteils nicht mehr in einem ‚unvermeidbaren Verbotsirrtum‘ befinden. Beschneidungen aus religiösen Gründen – ob bei Juden oder Muslimen – könnten damit strafrechtlich geahndet werden.

Angeregt von einer bekannten islamfeindlichen Kritikerin hatte ein einzelner Jurist im Jahre 2008 im Deutschen Ärzteblatt mit einer angstmachenden Publikation dafür gesorgt, dass zahlreiche Urologen die Durchführung einer Beschneidung aus religiösen Gründen verweigerten. Anschließend wurde dieselbe Position mehr und mehr in Umlauf gebracht und schaffte es ohne konkreten Anlass auf die Titelseite einer der größten und profiliertesten Tageszeitungen.

Das Gericht weiß um die eigentlich eher gegen die eigene Entscheidung sprechenden zahlreichen Rechtsmeinungen in der Wissenschaft. In dem Urteil wird darauf hingewiesen, dass die zugrunde liegenden Rechtsfragen in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich bewertet werden. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, unverzüglich für klare Verhältnisse zu sorgen.

Muslime und Juden werden aufgrund eines wackeligen Urteils in ihrer Religionsfreiheit und Ausübung gehindert. Das ist ein untragbarer Zustand nicht nur für Juden und Muslime, sondern vor allem auch für das internationale Ansehen Deutschlands