Zum Gespräch: Wie weiter mit den Religionen?
(Aus: Klaus Bade, Kritik und Gewalt)
„Deutschland ist nach der ‚Sarrazin-Debatte’ ein gespaltenes Land. Aber die Trennlinie verläuft nur oberflächlich zwischen ‚den Muslimen’ und ‚dem Rest’ und nur temporär zwischen Menschen mit Migrationshintergrund und jenen ohne. Die Trennlinie verläuft zwischen den ‚alten’ und den ‚neuen’ Deutschen und ihrer jeweiligen Vision von der Zukunft ihres Landes.
Es sind zwei unterschiedliche Vorstellungen von Deutschland, die hier aufeinanderprallen. Das neue Deutschland wird sich in der Zukunft nicht mehr durch Herkunft, Genetik und Abstammungsstrukturen definieren können - dies erlaubt schon der demografische Wandel nicht mehr. Es wird sich trotzdem nicht abschaffen - es wird nur ethnisch und kulturell vielfältiger sein. Und Deutschsein gilt dann als Chiffre für die Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen Land“ (Naika Foroutan, hier).
Für ein so konzipiertes neues, Zusammenhalt stiftendes Selbstbild der Einwanderungs-gesellschaft […] brauchen wir gemeinsam erarbeitete Grundorientierungen – nicht nur wogegen, sondern auch wofür. Und wir brauchen darauf gegründete Spielregeln, von denen die wichtigsten schon im Grundgesetz stehen […].
Zu diesen Grundorientierungen und Spielregeln gehört auch eine über passive Toleranz hinausgehende aktive Akzeptanz von Zuwanderung als wirtschaftlichem Kräftezuwachs und als kultureller Bereicherung im Sinne des kanadischen Mottos ‚Vielfalt ist unsere Kraft’ […].
Unser Umgang mit den Themen Einwanderung, Integration und Islam ist an einem kritischen Punkt angelangt. Jetzt muss sich zeigen, ob der Schock der NSU-Verbrechen noch einen verantwortlichen Lernprozess einleiten kann oder ob das […] Spiel mit gefährlichen Vorurteilen anhält […].
Klaus Bade, Kritik und Gewalt. Sarrazin-Debatte, „Islamkritik“ und Terror in der Einwanderungsgesellschaft, Schwalbach 2013, 370–374.