Was tun, wenn Jugendliche zu Salafisten werden?

Zum Gespräch: Salafisten. Wie gefährlich sind sie?


Experten gehen davon aus, dass sich 4.000–5.000 Menschen der salafistischen Lehre verbunden fühlen, das heißt etwa einer von Tausend in Deutschland lebenden Muslimen.

Ungleich größer als ihre Zahl ist ihr Einfluss auf junge Muslime. Das Internet wimmelt von salafistischen Seiten und Veröffentlichungen. Informationen über den Islam, Islamseminare, Korankommentare, Ratschläge zum rechten Leben und Anleitungen zur Konversion, all das ist schnell und kostenlos zu haben. Wer sich im Internet über Islam informieren will, kommt an salafistischen Seiten nicht vorbei.

Attraktiv ist der Salafismus für manche Jugendliche, weil er ihnen eine klare Orientierung bietet. Der Unübersichtlichkeit der modernen Welt und der Zumutung, sich ein eigenes Urteil bilden zu müssen, wird eine Schwarz-Weiß-Sicht entgegengesetzt: das musst du tun, das musst du lassen, so tust du, was dein Schöpfer von dir verlangt.

Darüber hinaus bietet die Gruppe eine Form von „Nestwärme“, wie sie für Sekten typisch ist. Die Mitglieder halten sich fern von ihren normalen sozialen Bezügen, brechen mit den Eltern, den Freunden und oft auch mit den Lebensgefährten, und sie erhalten dafür den Zusammenhalt einer Gruppe, die davon überzeugt ist, auf dem direkten Weg ins Paradies zu sein. Hinzu kommt, dass es für einige Jugendliche cool ist, Salafi zu sein. Ein Salafi protestiert gegen den Mainstream, er wendet sich gegen die Welt der Erwachsenen, auch gegen die Welt der erwachsenen Muslime. In mancherlei Hinsicht ist Salafismus der Punk von heute.

Was tun?
Wer mit puristischen oder politischen Salafisten zu tun hat (Djihadisten sind ein Fall für die Polizei), steht vor der schwierigen Aufgabe, die rechte Balance zwischen Anerkennung und Abgrenzung zu finden. Inakzeptablen Thesen sollte deutlich widersprochen werden. Aber wie?

Folgende Regeln haben sich bewährt:

1 Die Bedeutung der Religion anerkennen
Nicht „der Islam“ ist das Problem, sondern die salafistische Auslegung dessen, was „Islam“ in Deutschland heute bedeutet. Es geht nicht darum, den Jugendlichen die Religion auszureden, sondern ihnen zu einem anderen Verständnis der Religion zu verhelfen. An geeigneten Hilfsmitteln dafür mangelt es nicht (z.B. Claudia Dantschke u.a., „Ich lebe nur für Allah“. Argumente und Anziehungskraft des Salafismus. Eine Handreichung für Pädagogik, Jugend- und Sozialarbeit, Familien und Politik, Berlin 2011).

2 Teilhabe ermöglichen, Dialog fördern
Der Salafismus ist für manche Jugendliche auch deshalb attraktiv, weil sie das Gefühl haben, als Muslime und Kinder von Migranten nicht recht dazuzugehören. Je weniger sich junge Muslime ausgegrenzt fühlen, je selbstverständlicher der interreligiöse Dialog ist, desto geringer ist die Neigung, sich extremistischen Gruppen zuzuwenden.

3 Identitätsfallen meiden, Vielfalt betonen
So wenig wie es „die Christen“ gibt, gibt es „die Muslime“. So wenig wie der Koran per se ein verfassungsfeindliches Buch ist, ist die Bibel per se die Mutter des Grundgesetzes. Sowohl Christentum als auch Islam lassen sich auf vielfältige Arten und Weisen auslegen und leben – und missbrauchen.

4 Das Selbstbestimmungsrecht ernst nehmen
Die große Mehrheit der in Deutschland lebenden Muslime ist der Auffassung, dass Grundgesetz und Islam gut zueinander passen. Dieser Haltung zu widersprechen, weil der Koran inakzeptable Sätze und Regeln enthält, führt in die Irre. Es ist Sache der Muslime, zu klären, was „Islam“ für sie bedeutet und was nicht.

5 Auf Sachfragen konzentrieren
Salafistische Thesen sind oft so lange cool, wie es nicht konkret wird. Ein Prediger, der den Jugendlichen erklären muss, warum sie keine Musik hören dürfen oder warum Jeans verboten sind, stößt in der Regel schnell auf Widerspruch.

(Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers, Information zum Thema „Salafismus in Deutschland“, Hannover 2012, hier).